Die Welt der Salze in der Homöopathie

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Eines der ganz großen Homöopathika ist das potenzierte Kochsalz, Natrium muriaticum, eine häufig verordnete Arznei bei tiefem Kummer ohne Tränen.
Eines der ganz großen Homöopathika ist das potenzierte Kochsalz, Natrium muriaticum, eine häufig verordnete Arznei bei tiefem Kummer ohne Tränen.

Wenn zwei gegensätzlich geladene chemische Elemente eine Verbindung miteinander eingehen, spricht man von einem Salz (Salz, Sal: heteropolare, anorganische oder organische chemische Verbindung mit einem aus Kationen und Anionen bestehenden Kristallgitter). Nicht immer herrscht Harmonie zwischen beiden Polen, mitunter sind diese Vereinigungen spannungsgeladen und explosiv. Und doch arrangiert man sich, wächst zusammen und bildet eine neue Einheit. So empfinden auch die Menschen, deren Heilmittel ein Salz ist – zwei Seelen wohnen in ihrer Brust und sorgen dort für innere Konflikte, Verwirrung, Unentschlossenheit und Unausgeglichenheit, je nachdem wie gegensätzlich die Partner sind. Doch stets handelt es sich um tief wirkende Arzneimittel, ideal für chronische oder seelische Beschwerden.

Salze sind Ionenverbindungen, sie entstehen durch Abgabe und Aufnahme von Elektronen. Das Elektronen abgebende Element weist eine positive Ladung auf (+), man nennt es Anion, das Elektronen aufnehmende Element verfügt über eine negative Ladung (-) und wird Kation genannt. Wenn man das Periodensystem betrachtet, stellt man fest, dass Salze sich aus Elementen der linken Seite des Periodensystems und denen der rechten Seite zusammensetzen, häufig sogar rechts und links der Mitte. Bekannte Beispiele sind Natrium muriaticum oder Magnesium phosphoricum. Die Gegensätzlichkeit beider Partner spiegelt sich auch im Wesen der Menschen wider, die ein Salz als Heilmittel benötigen.

Die meisten Salze, mit Ausnahme der Halogensalze (Kombinationen mit Fluor, Chlor, Brom, Iod etc.) enthalten zusätzlich noch Sauerstoff (Oxygenium), bestehen also aus drei Elementen. In diesem Fall müssen die charakteristischen Symptome von Oxygenium bei dem betreffenden Menschen ebenfalls erkennbar sein.

Charakteristische Symptome von Oxygenium

  • Alles selbst tun wollen
  • Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit
  • Mangelndes Selbstwertgefühl
  • Gefühl, die eigenen Leistungen würden nicht ausreichend gewürdigt
  • Braucht viel Raum zum Atmen

Die Homöopathie und das Periodensystem

Chemische Verbindungen haben immer acht Elektronen auf der Außenschale, das heißt, ein Element, das sechs Elektronen auf der Außenschale aufweist, sucht sich einen Salz-Partner mit zwei Außenelektronen, um die erforderlichen acht zu erreichen.

Wenn man sich bei dem Verständnis der Salze und ihrer Elemente auf das Periodensystem und dessen Interpretation von Jan Scholten (niederländischer Homöopath, der sich intensiv mit dem Periodensystem und dessen Bedeutung für die Homöopathie beschäftigt hat) bezieht, so hat man acht Reihen (Serien) und 18 Spalten (Stadien) mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Themen, an denen man sich orientieren kann. Etwas vereinfacht formuliert, durchlaufen die Reihen die einzelnen Lebensabschnitte, wobei die Wasserstoff-Serie (erste Reihe) dem Leben im Mutterleib entspricht und die Uranium-Serie (siebte Reihe) dem hohen Alter. Bei den Spalten erkennt man eine Entwicklung von links nach rechts – immer in Bezug auf das Thema der Reihe. Ganz links fängt die Entwicklung gerade an, in der Mitte ist der Höhepunkt erreicht und ganz rechts ist der Verlust des einmal Erreichten schon weit fortgeschritten.

Die Themen der einzelnen Reihen

  • Erste Reihe (Wasserstoff-Serie): Empfängnis und Existenz, Frage: Bin ich oder bin ich nicht?
  • Zweite Reihe (Kohlenstoff-Serie): Geburtsprozess, Trennung, Frage: Bin ich ein Teil von etwas/jemandem oder bin ich getrennt?
  • Dritte Reihe (Silicium-Serie): Identität und Versorgung, Frage: Wer bin ich?
  • Vierte Reihe (Eisen-Serie): Sicherheit und tägliche Aufgaben, Routine
  • Fünfte Reihe (Silber-Serie): Kreativität und Leistung, Neues erschaffen
  • Sechste Reihe (Gold-Serie): Verantwortung für andere, Macht und Herrschaft
  • Siebte Reihe (Uranium-Serie): Pflicht und Verantwortung bis zur eigenen Zerstörung

Die linke Seite des Periodensystems

Die Elemente auf der linken Seite des Periodensystems haben nur ein oder zwei Elektronen auf ihrer Außenschale, sie sind von dem Ziel, acht Elektronen zu erreichen, noch sehr weit entfernt – je weiter links desto mehr. Übertragen auf die Empfindung der Menschen, die ein Mineral als homöopathisches Arzneimittel verordnet bekommen, bedeutet das: Sie haben das Gefühl, auf ihrem Weg noch ganz am Anfang zu stehen, noch keine wesentlichen Fortschritte bezüglich der Thematik ihrer Reihe (siehe oben) gemacht zu haben.

Menschen, die ein Element aus den ersten beiden Spalten brauchen (wie Hydrogenium, Lithium, Natrium, Magnesium, Kalium, Calcium oder Barium), lassen in ihrem Verhalten und in ihrer Bewältigungsstrategie eine mehr oder weniger große Abhängigkeit von anderen Personen erkennen. Je weniger Außenelektronen das jeweilige Element besitzt, das sie benötigen, desto ausgeprägter ist das Gefühl eines Mangels auf diesem Gebiet. Sie fühlen sich nicht in der Lage, die Thematik ihrer Reihe ohne fremde Hilfe bewältigen zu können.

Die rechte Seite des Periodensystems

Bei den Elementen rechts der Mitte ist der Zenit bereits überschritten. Ab vier Außenelektronen besteht das Gefühl, etwas aus eigener Kraft erreicht zu haben, nicht auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Je weiter rechts das Element steht, desto mehr wächst die Furcht, das bereits Erreichte wieder zu verlieren. Dazu zählen Phosphorus, Sulphur, Arsenicum, Argentum, Aurum und Plumbum, um nur einige Beispiele zu nennen.

Mit zunehmender Elektronenzahl und Atommasse nimmt die Anziehungskraft zu, mit welcher die Elektronen zum Kern gezogen werden. Je mehr Elektronen ein Atom auf der Außenschale hat, umso dichter wird es. Insofern stellt der Handel zwischen den beiden Elementen nicht unbedingt ein faires Geschäft dar: Der Partner, der weniger zu geben hat (links der Mitte), ist nicht so geizig wie der, der seine Schale fast voll hat (rechts der Mitte). Letzterer wird alles daran setzen, seine erarbeiteten Besitztümer für sich zu behalten und zu mehren. Insofern sind die Elemente auf der linken Seite auf die Almosen und die Unterstützung der Elemente auf der rechten Seite angewiesen, welche sich schwer tun, zu geben. Für sie ist es viel leichter, noch etwas mehr zu nehmen, als all das herzugeben, was sie sich bereits gesichert haben. Wir sehen das am Grad des Besitzdenkens und der Ausbildung des Egos rechts der Mitte. Dort ist das Bewusstsein für die eigene Identität wesentlich stärker ausgeprägt, was deutlich wird, wenn wir uns die Arzneimittelbilder von Phosphorus oder Sulphur anschauen, um zwei prominente Beispiele zu nennen.

Wann ist ein Mineral ein Salz?

Das Ziel der Salze ist Stabilität, die sie durch die Verbindung mit einem passenden Partner erwerben – kein Problem für die linke Seite, denn sie hat nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen – allerdings um den Preis der Abhängigkeit. Die rechte Seite hingegen muss das Erreichte teilen, was als beengend empfunden wird.

Wie bereits erwähnt, bestehen Salze aus mindestens zwei Elementen, wobei das eine auf der linken Seite des Periodensystems angesiedelt ist, das andere auf der rechten, wobei die Abstände nicht immer so groß sein müssen wie bei Natrium muriaticum (siehe Aurum arsenicosum). Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder stammen beide Partner aus derselben Reihe oder aus zwei unterschiedlichen Reihen. Im ersten Fall steht der betreffende Mensch unter dem Einfluss der Thematik einer einzigen Reihe, er hat folglich bezüglich des gleichen Themas eine unterentwickelte abhängige und eine weiter entwickelte unabhängigere Seite in sich, was sich durch widersprüchliches oder wechselhaftes Verhalten äußert bzw. durch zwei unterschiedliche Bewältigungsmechanismen. Typische Beispiele dieser Kombination wären Natrium muriaticum, Magnesium phosphoricum oder Calcium arsenicosum. Im letzteren Fall werden Empfindung und Reaktionsmuster von zwei verschiedenen Reihen beeinflusst, dazu zählen Mittel wie Barium carbonicum, Beryllium muriaticum oder Kalium sulphuricum.

Der indische Homöopath Rajan Sankaran sagt dazu, ein Salz sei nur dann indiziert, „wenn wir sehen, dass auf der Empfindungsebene die Merkmale des einen Elements immer von denen des anderen Elements begleitet werden“ (1). Es handelt sich folglich nicht um ein Nebeneinander von Symptomen, sondern um eine Verquickung: Aus den beiden Ausgangssubstanzen entsteht eine neue Einheit, die der Individualität des jeweiligen Menschen entspricht.

Beispiele aus der Welt der Salze

Natrium muriaticum

Bei dem bekannten homöopathischen Mittel Natrium muriaticum (Kochsalz) handelt es sich um die Vereinigung zweier Elemente aus der dritten Reihe des Periodensystems. Natrium steht ganz links, Muriaticum, auch Chlorum genannt, in der 17. Spalte, also fast ganz rechts. Bei dem betreffenden Menschen geht es um die Themen: Identität (Wer bin ich? Wie sehen mich die anderen?), Versorgung, Familie und Beziehung (ich und die anderen).

Durch den Natrium-Anteil ist das Bewusstsein für die eigene Identität noch nicht entwickelt. Der Betreffende ist komplett abhängig von einer Bezugsperson (Mutter, Vater, Partner), er traut sich nicht zu, allein durchs Leben zu gehen. Es besteht ein großes Bedürfnis nach Liebe und Fürsorge. Auch das Vertrauen in die eigene Entscheidungsfähigkeit ist noch nicht vorhanden, typisch sind Fragen wie „Was soll ich wählen?“ „Wie soll ich mich entscheiden?“ „Was soll ich sagen?“. Insofern besteht eine immense Abhängigkeit vom Partner, ohne den sich der Betreffende völlig hilflos fühlt – seiner Identität beraubt. Auch sind die Erwartungen an den Partner vergleichbar denen, die an die Mutter gestellt werden: Er soll bedingungslos lieben, jeden Wunsch von den Augen ablesen etc.

Der Muriaticum-Anteil führt dazu, dass die unvermeidliche Enttäuschung im Sinne eines Betrugs erfahren wird. Laut Rajan Sankaran empfindet der Nat-m.-Mensch folgendermaßen: “Ich werde von der Person, der ich vertraue, von der ich abhängig bin und die ich liebe, im Stich gelassen, verraten oder enttäuscht.“ (1) Durch das Element auf der rechten Seite des Periodensystems wird der Verlust oder die Angst vor dem vermeintlichen Verlust desjenigen Menschen, von dem eine überstarke Abhängigkeit besteht (linke Seite) als besonders schmerzlich erlebt. Auf der anderen Seite besteht das Verlangen, diese Abhängigkeit abzustreifen, ihr zu entfliehen. Das Anion zeigt hier die Bedürftigkeit an, das Kation (in dem Fall ein Halogen) den Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit.

Menschen, die Nat-m. als konstitutionelles homöopathisches Mittel benötigen, befinden sich ständig in diesem polaren inneren Konflikt: einerseits abhängig und bedürftig, andererseits getrieben von dem Verlangen, frei und unabhängig zu sein.

Kalium carbonicum

Bei Kalium carbonicum (Pottasche) handelt es sich um ein Salz, das aus zwei Elementen unterschiedlicher Reihen besteht: der zweiten und der vierten Reihe. Hier sind folglich zwei verschiedene Themen miteinander verwoben.

Kalium befindet sich wie Natrium in der ersten Spalte, weist folglich eine ebenso große Abhängigkeit auf, allerdings in Bezug auf ein anderes Thema, denn es steht in der vierten Reihe. Hier geht es um die tägliche Arbeit, um Pflicht und Ordnung sowie um die notwendige Routine bei der Ausübung der beruflichen oder schulischen Tätigkeit. Der Betreffende weiß um seine Identität, kann auch selbst für sich sorgen, verspürt aber eine sehr starke Bindung zur Familie, sodass sich das ganze Leben – alles Sinnen und Trachten – um die eigene Sippe dreht. Im Gegensatz zu Natrium ist es hier nicht die einzelne Bezugsperson, die wie eine Mutter vereinnahmt wird, sondern die Gruppe – der Familienverband. Der Hintergrund: Der Betreffende hat Angst, allein zu sein. Das Aufstellen fester Regeln und Gesetze, an die sich alle Familienangehörigen zu halten haben, schafft die Sicherheit, die der Kalium-Mensch zum Überleben braucht.

Carbonicum (Kohlenstoff) steht in der zweiten Reihe relativ in der Mitte. Hier geht es um den Geburtsprozess, um die Trennung von der Mutter. Der Betreffende weiß, dass er sich trennen muss, dass er den „schützenden Mutterleib“ verlassen muss, aber er traut es sich nicht zu, kann keine Trennung ertragen. An dieser Stelle wird deutlich, wie nahtlos diese beiden unterschiedlichen Elemente ineinandergreifen und sich gegenseitigen beeinflussen: Der Carbon-Anteil beinhaltet die Angst und Unfähigkeit, sich zu trennen und der Kalium-Anteil den Bezug zur Familie. Hier besteht also die Urangst, von der Sippe getrennt zu werden und auf sich selbst gestellt zu sein.

Aurum arsenicosum

Aurum (Gold) befindet sich an der Schnittstelle von sechster Reihe und 11. Spalte, also jenseits der Mitte. In Reihe sechs geht es um Verantwortung und Macht. Die 11. Spalte zeigt an, dass der Höhepunkt des Erreichbaren bereits überschritten ist und der Betreffende im Begriff ist, die Machtposition, die er sich erarbeitet hat, Stück für Stück zu verlieren. Da sich der Aurum-Mensch aber über seine Position und Verantwortung definiert, stürzt ihn deren drohender Verlust in tiefste Abgründe – ein Leben scheint dann nicht mehr vorstellbar.
Mit Arsenicum hat das Schwermetall einen Partner aus der vierten (Arbeiter-) Reihe, wobei Arsen noch weiter rechts angesiedelt ist: in der 15. Spalte. Der Verlust ist schon recht weit fortgeschritten und man kann nichts dagegen tun. Konkret geht es um die Furcht vor dem Verlust materieller Sicherheit und des Arbeitsplatzes. Der Betreffende versucht verzweifelt, das einmal Erreichte festzuhalten, aber es gelingt ihm nicht. Er fühlt sich ohnmächtig und vollkommen hilflos.

Bei Aurum arsenicosum handelt es sich um ein Salz aus zwei Elementen rechts der Mitte, die thematisch nicht allzu weit entfernt sind: In beiden Fällen geht es um die Stellung im Arbeitsleben. Durch die Kombination wird klar, dass der Betreffende nicht nur um seine Verantwortung und seine Machtposition bangen muss, sondern auch um die materielle Sicherheit, die mit dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes zwangsläufig einhergeht. Typisch ist die große Angst und Unruhe, mit der der Aur-ar.-Mensch diesen Prozess begleitet.

Fazit

Bei der Beschreibung der einzelnen Salze wurde bewusst auf ein detailliertes Arzneimittelbild verzichtet. Es geht nicht darum, die jeweiligen Symptome der Mittel darzustellen, sondern die Idee der Elemente und ihrer Verbindungen in Bezug zu den Themen der Reihen und Spalten des Periodensystems herauszuarbeiten. Jan Scholten und Rajan Sankaran haben hier wertvolle Pionierarbeit geleistet.

Literatur:

  • Joshi, Bhawisha: Homöopathie und die Struktur des Periodensystems. Narayana Verlag. Kandern, 2010
  • Sankaran, Rajan: Struktur. Erfahrungen mit dem Mineralreich, Bd. 1 und 2. Homeopathic Medical Publishers. Mumbai, 2009 (1)
  • Scholten, Jan: Homöopathie und Minerale. Utrecht, 1993